Reisebericht 13 vom 17.09.06 – 28.09.2006: Karibisches Flair in Belize


Route: Bermudian Landing – Drangriga – Placencia – Belmopan – San Ignacio – Caracol – Actun Tunichil Muknal - Spanish Lookout


Es ist Sonntag als wir bei Chetumal / Mexiko die Grenze nach Belize überqueren wollen. Am Sonntag arbeitet der mexikanische Zoll nicht, erklärt uns ein mexikanischer Zollbeamter. Das ist schlecht, denn wir müssen unser Fahrzeug offiziell aus Mexiko ausführen und dafür brauchen wir jemanden, der unsere Plakette in Empfang nimmt und uns eine Quittung ausstellt. Tatsächlich sitzen uniformierte Beamte im Zollgebäude. Wir stellen uns schon auf längere Diskussionen ein, doch dann geht alles ganz schnell und unproblematisch – wahrscheinlich gerade, weil der Zoll am Sonntag nicht arbeitet. Im Niemandsland zwischen Mexiko und Belize lassen wir unser Auto desinfizieren, denn die mexikanischen Bakterien, die sich in unserem Reifenprofil eingenistet haben, dürfen nicht mit über die Grenze. Die Einfuhr des Fahrzeugs nach Belize ist ebenfalls unkompliziert. Die Inspektion des Wagens dauert nicht mal drei Minuten. Auf die Frage, ob wir Obst mitführen, schütteln wir heftig den Kopf und der Beamte übersieht diskret die Limette, die direkt vor seiner Nase liegt. Zum Glück interessiert er sich auch nicht für den Inhalt unserer Kühlbox.

 

Die Straße nach Belize führt quasi direkt ins Versicherungsbüro, so dass wir auch gleich noch die obligatorische Kfz-Versicherung abschließen können. Fremde Versicherungen werden seit geraumer Zeit nicht mehr akzeptiert. Und dann rollen wir gut gelaunt ist dieses kleine Land, das nicht größer ist als Hessen. Belize gefällt uns auf Anhieb außerordentlich gut. Bereits auf den ersten Metern fällt uns auf, dass selbst vor der schlimmsten Bretterbude, der englische Rasen perfekt gemäht ist. Außerdem spricht man hier Englisch – und zwar mit kreolischem Einschlag. Es dauert zwar eine Weile, bis unsere Ohren sich an den melodischen Singsang gewöhnt haben, aber dann macht es richtig Spaß, sich mit den Menschen zu unterhalten. Die Bevölkerung Belizes ist eine bunte Mischung aus Nachkommen afrikanischer Sklaven, spanischer Einwanderer und indigener Maya-Stämme – und neben Englisch werden Spanisch, Kreolisch und unzählige Maya-Sprachen gesprochen. Und auch Deutsch. Doch dazu später mehr.

 

Zunächst steuern wir einen Ort mit dem wohlklingenden Namen „Bermudian Landing“ an. Hier gibt es das Baboon Wildlife Sanctuary, ein Projekt, das sich den Schutz der Brüllaffen und den Erhalt deren Lebensraumes zum Ziel gesetzt hat. Die Mitarbeiter des Sanctuarys arbeiten auf Freiwilligenbasis, die Einnahmen kommen den sieben Dörfern zugute, die Land für das Projekt zur Verfügung gestellt haben. Wir treffen Fallet Young, den Manager des Projekts und verabreden uns mit ihm für den nächsten Morgen zum „Nature Walk“ durch den Regenwald, um die Brüllaffen aus nächster Nähe zu sehen. Gerade als wir uns auf dem Gelände des Visitor Centers häuslich niedergelassen haben, erscheint ein junger Mann, der sich als unser Guide vorstellt und abkassieren will. Doch wir haben schon gezahlt, so dass er sich schnell wieder verabschiedet. Hätten wir dem Vorfall mehr Bedeutung beigemessen, hätten wir uns vielleicht den folgenden Schreck ersparen können. Nachts werden wir wach, weil wir hören, wie jemand, nämlich jener abendliche Besucher, versucht, in unser Auto einzubrechen. Als sämtliches Rütteln an Türen und Fenstern erfolglos bleibt, schlägt er mit einem Brett gegen unser Hubdach. Tobias macht das einzig Richtige in dieser Situation: Er redet mit ihm – und zwar so laut es seine Stimmbänder hergeben. Besser gesagt, er schreit ihn an. Von dem Geschrei werden die Hunde nervös und fangen an zu bellen. Von dem Lärm wiederum wird Fallet Young wach und kommt sofort herbei geeilt. Jetzt wird der nächtliche Besucher nervös und ergreift die Flucht. Sofort inspizieren wir den Landy, dem zum Glück nichts passiert ist. Auch wir sind mit dem Schrecken davongekommen. Fallet Young hat den Einbrecher erkannt und will die Polizei rufen. Doch unter der Notrufnummer hebt niemand ab. Seine Frau ruft daraufhin ihre Schwester in Belmopan – der Hauptstadt- an, damit diese die Polizei ruft. Die Polizisten versprechen, sich am nächsten Morgen um die Sache zu kümmern. Der Polizist aus dem Nachbardorf kann nicht kommen, weil er kein Fahrzeug hat. Das also ist Belize. Wir ziehen um und parken unseren Landy direkt vor Fallet Youngs Haus.

 

Etwas verschlafen starten wir am nächsten Morgen um sieben Uhr zu unserer Tour in den Regenwald. Doch die Affen schlafen noch. Wir gehen zurück und frühstücken erst einmal, um zwei Stunden später noch einmal aufzubrechen. Die Affen schlafen noch immer. Doch diesmal entdecken wir sie, wie sie auf den Ästen eines Baums lümmeln. Scheinbar merken die Affen, dass wir sie beobachten, denn allmählich kommt Bewegung in die müde Bande. Einer nach dem anderen verlässt seinen Schlafplatz, und zieht Beeren und Blätter sammelnd und fressend von einem Baum zum nächsten. Wir bleiben ihnen dicht auf den Fersen und verfolgen die Affenfamilie zu Fuß.

 

Da sich die Polizei noch immer nicht hat blicken lassen, beschließen wir, in der Polizeistation des Nachbarortes eine Anzeige aufzugeben. Der Polizist zeigt sich denn auch sehr bemüht, schreibt per Hand unsere Aussage auf und verspricht, sich gleich morgen um die Angelegenheit zu kümmern. Natürlich hören wir nie wieder etwas von ihm.

 

Wir fahren weiter nach Dangriga, einer kleinen Stadt an der Küste mit dem Charme des Morbiden. Die karibischen Holzhäuser auf Stelzen haben eindeutig schon bessere Zeiten gesehen. Darüber können auch die bunten Fassaden nicht hinwegtäuschen. In Dangriga gibt es nichts Sehenswertes – abgesehen von den Garifunas, die auf ihren Veranden in der Hängematte dösen. Hörenswert dagegen ist der Slang der Garifunas. Garifunas sind Abkömmlinge von karibischen Inselbewohnern und ehemaligen afrikanischen Sklaven und ihre Sprache ist eine Mischung aus karibischen und afrikanischen Sprachen, angereichert mit ein bisschen Englisch und Französisch.

 

Wir beschließen, uns was Gutes zu tun, und wieder einmal ein paar Strandtage einzulegen. Da man auf die berühmten Cayes, die vorgelagerten Inseln, nicht mit dem Auto kommt und wir keine rechte Lust verspüren, unser Auto unbeaufsichtigt irgendwo stehen zu lassen, fahren wir nach Placencia. Placencia liegt auf einer Landzunge in der Verlängerung der Cayes und ist mit dem Auto erreichbar. Allerdings gibt es nur eine befahrbare Straße, die genau an der Spitze der Landzunge endet. Zwischen ihr und dem Meer liegen unzählige Hostels und die schmalste Straße der Welt, der Boardwalk, der zwar asphaltiert aber genau so breit ist, dass eine Person auf ihm laufen kann.

Außerhalb der Stadt liegen Luxushotels, Villen und Großbaustellen dicht an dicht. Nirgends ein Fleckchen öffentlicher Strand, den man mit dem Auto anfahren könnte. Bleibt uns also nichts anderes übrig, als in eine Herberge zu ziehen. Aber wenn wir schon für unser Strandquartier bezahlen, dann richtig. Wir mieten uns im Village Inn ein Holzhäuschen im typisch karibischen Stil – mit Bad, Küche, Veranda und einem traumhaften Strand ganz für uns allein. Armando, der Besitzer, kommt ursprünglich aus Kuba und freut sich so sehr über unsere Gesellschaft, dass er uns spontan zum Paella-Essen einlädt. Ursprünglich wollten wir zwei Nächte bleiben, haben dann aber aus Gründen des Mengenrabatts das Häuschen doch für drei Nächte gemietet. Jetzt verlängern wir um eine weitere Nacht. Und Armando schenkt uns eine fünfte. Wir schwimmen, lesen, schlafen, gehen Kajak fahren, machen Urlaub vom Reisen und kommen sogar noch in den Genuss, die Parade zum Unabhängigkeitstag mitzuerleben, bevor wir uns wieder auf die Straße begeben. (Thank you Armando, for the wonderful time and for the best paella we ever had.)

 

Unser nächstes Etappenziel heißt San Ignacio, kurz vor der Grenze nach Guatemala und idealer Ausgangspunkt für eine Besichtigung der archäologischen Maya-Stätte Caracol. Zwei Stunden dauert die Fahrt bis zu den Ruinen und führt größtenteils über eine holprige Schlaglochpiste. Lediglich

die letzten Kilometer sind asphaltiert. Auf halber Strecke versperrt ein Militärposten den Weg. Ab hier geht es nur mit Militäreskorte weiter, seit vor ca. sechs Monaten mehrere Tourbusse von Banditen überfallen worden waren, die

vermutlich über die nahe guatemaltekische Grenze kamen. Dabei wurde eine Person erschossen. Während wir auf unser Begleitfahrzeug warten, spielt Tobias mit einem der Soldaten eine Runde „Dame“ – und verliert. Caracol liegt mitten im Regenwald und wurde erst vor wenigen Jahren überhaupt entdeckt. Viele der Ruinen sind noch unter Grashügeln verborgen und warten darauf, freigelegt zu werden. Die Anlage selbst dürfte zu den größten Maya-Stätten zählen. Fast alleine wandern wir durch die Anlage und genießen die Urwald-Atmosphäre und die unwahrscheinliche Ruhe fernab jeder Zivilisation. Keine Autoabgase, kein Motorenlärm, kein Gehupe, keine Souvenirverkäufer – einfach nur Stille und ein paar Vögel, die über uns in den Zweigen zwitschern. Für die Rückfahrt in die Stadt hat sich ein Konvoi gebildet. Die Soldaten bitten uns, als erstes Fahrzeug vorne weg zu fahren, bis ein zweites Begleitfahrzeug zu uns stößt. Wir kennen den Grund. Das Militär in Belize fährt ebenfalls grüne Landrover Defender. Banditen könnten uns also für ein Militärfahrzeug halten.

 

Für den nächsten Tag haben wir eine Tour zur Höhle „Actun Tunichil Muknal“ gebucht. Ich bin ein bisschen skeptisch, als ich höre, dass wir mit Helmen und Stirnlampen bewaffnet durch teilweise brusttiefes Wasser waten müssen und die Höhle innen sozusagen naturbelassen ist, ohne Licht und ohne geebnete Wege. „Spelunking“ ist einfach nichts für jemanden, der schon in Fahrstühlen klaustrophob wird. Aber am Ende siegt dann doch die Neugier. In der Höhle haben nämlich die alten Maya-Stämme religiöse Zeremonien abgehalten und Opfer – auch Menschenopfer – dargebracht. Und die Reste davon, Opfergefäße und Skelette, befinden sich heute noch in der Höhle. In einer kleinen Gruppe von sieben Leuten marschieren wir erst eine halbe Stunde durch den Regenwald, dann schwimmen wir in den Eingang der Höhle, kämpfen uns durch eiskaltes Wasser und quetschen uns seitlich und schräg durch enge Spalten – immer tiefer hinein, vorbei an fantastischen Tropfstein-Formationen. Als wir schließlich unsere Schuhe ausziehen müssen, damit wir nicht aus Versehen auf die fragilen Relikte der Vergangenheit treten und diese zerstören – was leider schon vorgekommen ist – wird es für mich richtig schmerzhaft. Ich habe mir am Vortag Blasen an beiden Füßen gelaufen, als ich in Flip-Flops drei Kilometer vom Campingplatz in die Stadt und zurück gelaufen bin. Tapfer beiße ich die Zähne zusammen und laufe barfuß über den steinigen und rutschigen Höhlenboden. Doch als die ersten Tonkrüge in Sicht kommen, sind die Blessuren schnell vergessen. Das schwache Glimmen unserer Stirnlampen taucht die Szenerie in ein gespenstisches Licht. Überall um uns herum liegen Tongefäße und Überreste menschlicher Skelette. Doch das Highlight der Höhle ist eine Kammer, die etwas oberhalb in der Wand versteckt liegt. Sie birgt das einzige komplett erhaltene Skelett einer geopferten Frau. Als wir nach drei Stunden in der Dunkelheit plötzlich wieder Licht vor uns sehen, taumeln wir wie benommen aus der Höhle, der warmen Sonne entgegen. Auf dem Rückweg probiert Tobias noch eine Termite, denn man weiß ja nie, wann es wieder etwas zu essen gibt, und stellt nüchtern fest: „Schmeckt nach Holz und Karotte“.

 

Die Tatsache, dass das Militär Landrover Defender fährt, bringt uns auf die Idee, hier noch ein paar kleinere Reparaturen an unserem Landy vornehmen zu lassen. Der Unterbodenschutz ist gebrochen und das Radlager vorne links müsste abgedichtet werden. Erfreut stellen wir fest, dass es ein paar Kilometer außerhalb von San Ignacio eine Landrover-Werkstatt gibt. Graham kommt ursprünglich aus Kalifornien und hat dort bei Landrover Nordamerika gearbeitet. Heute schult er das Militär im Offroad-Fahren durch den Dschungel und bringt die Autos danach auch gleich wieder auf Vordermann. Was den Unterbodenschutz angeht, so schickt er uns jedoch nach Spanish Lookout zu den Mennoniten. Wir haben von Armando schon gehört, dass dort „moderne“ Menonniten leben, die die gesamte Maschinenbau-Branche Belizes fest in ihrer Hand haben. Auf einer handbetriebenen Fähre überqueren wir den Fluss und finden uns plötzlich in einer anderen Welt wieder. Wir treffen strohblonde Kinder mit blauen Augen, Frauen in langen, geblümten Kleidern mit weißer Haube auf dem Haar und Männer in langen blauen Hosenträger-Hosen, mit weißem Hut. Die Mennoniten sind deutscher Abstammung und so verwundert es uns nicht, als man uns plötzlich mit vertrauten Worten anspricht. Die Mennoniten sprechen im Geschäftsleben zwar Englisch, zu Hause aber noch ein altes, gepflegtes Deutsch, das dem Plattdeutschen entstammt. Dass hier zwei Welten aufeinander treffen, merken wir sehr schnell an den Fragen, die man uns stellt: Ob die Deutschen sich denn noch vermehren, will man wissen, und ob wir auf unserer Reise denn auch regelmäßig in die Kirche gehen würden. Vielleicht hätten wir nicht beide Fragen mit Nein beantworten sollen, dann wäre bestimmt noch eine Einladung zum Abendessen herausgesprungen. Aber so machen wir uns mit leerem Magen auf den Rückweg und gehen stattdessen in der Stadt zum Chinesen. Ein letztes Mal, bevor wir Belize verlassen und nach Guatemala weiter fahren.


Bildergalerie