Route: Portillo – Los Andes – Santiago – Valle Nevado – Rancagua – Talca – Altos de Lircay – Villa Alegre – Constitución – Chillán – Los Angeles – Ralco – Conguillio – Temuco – Valdivia – Osorno – Puerto Octay – Frutillar – Lago Todos los Santos – Ralún – Cochamó – Hornopirén – Puerto Montt – Chiloé – Puerto Montt – Osorno – Entre Lagos – Nationalpark Puyehue
Das Gebiet zwischen Concepción bis nach Puerto Montt auf dem Festland und die Insel Chiloé werden als „der kleine Süden Chiles" bezeichnet. Hier findet man türkisblaue Flüsse, malerische Lagunen und Seen, schneebedeckte Vulkangipfel, dichte Araukarien-Wälder, kalte Regenwälder und eine raue Küstenlandschaft. Der kleine Süden ist das Reiseziel Nummer eins in Chile und ein Paradies für Aktiv-Urlauber. Rafting, Kajaking, Trekking, Bergsteigen, Reiten, Flyfishing, Surfen, Skifahren … alles ist möglich. Und auch wir hatten vor, diese Region Chiles, die flächenmäßig ein Siebtel des gesamten Landes einnimmt, zu erwandern. Mehrtägige Trekkingtouren durch die Nationalparks standen auf dem Programm. Doch dann kam alles ganz anders.
Am Grenzübergang Paso Redentor sitzen der argentinische und der chilenische Zoll, anders als an anderen Grenzen, in demselben Gebäude, sozusagen Tür an Tür, und benutzen ein gemeinsames Zollformular für die Ein- und Ausfuhr von Fahrzeugen. Und genau dieses Formular stiftet bei uns erst einmal Verwirrung. Wir haben es nämlich nicht, denn wir waren ja über den Paso Sico nach Argentinien eingereist. Als der argentinische Beamte uns dann nach einigem Hin und Her doch endlich den Ausreisestempel in den Pass drückt und uns zu seinen chilenischen Kollegen schickt, weiß dieser ebenfalls nicht so richtig etwas mit uns anzufangen. Dabei sollte man meinen, dass hier öfter Reisende mit eigenem Fahrzeug die Grenze überschreiten – bei der Menge an Reisenden, die unterwegs sind. Wir werden von einem Schalter zum nächsten geschickt und am Ende stellt der Beamte am Schalter „Gefahrentransport" unser Zolldokument aus. Dabei dachten wir immer, unser Landy sei ganz harmlos …
Schon vom Grenzposten aus kann man die Skipisten von Portillo sehen, ein Ski-Ressort der Oberklasse, in das sich der US-amerikanische Jet-Set per Hubschrauber einfliegen lässt. Entsprechend hoch sind auch die Übernachtungspreise. Weiter unten in Rio Blanco wirbt ein Restaurant mit Cabañas und Camping. Wir halten an und fragen nach. Die Cabañas, die so klein sind, dass man nach dem Öffnen der Tür gleich im Bett liegt, kosten 26 US-Dollar pro Nacht. Camping – ohne Toiletten, Duschen, Wasser, Also ohne alles – soll 40 US-Dollar kosten. Wir halten das Für einen Scherz. Doch als auch ein zweiter Versuch, uns auf einem Campingplatz einzuquartieren, aus ähnlichen Gründen fehlschlägt, entscheiden wir uns für „Copec-Camping" und ziehen auf die Tankstelle. Zum Nulltarif.
Seit Tagen schon sind wir vor Vorfreude auf den Skispaß ganz aufgeregt. Als es dann endlich so weit ist, wir die Bretter anschnallen, der Schnee unter uns knirscht und wir die ersten Schwünge machen, merken wir erst, wie sehr wir das Skifahren vermisst haben. Das Skigebiet von Portillo bietet Pisten aller Schwierigkeitsgrade und zu Tobias’ Freude auch jede Menge ungespurte Abfahrten und Buckelpisten. Wir haben super Wetter und perfekten
Pulverschnee. Keine Frage: das macht Lust auf mehr.
Doch zunächst einmal schauen wir bei Peter und Friedel in Los Andes vorbei. Die beiden wohnen seit drei Jahren in Chile. Durch Zufall sind sie auf unsere Website gestoßen und haben uns spontan zu sich eingeladen. Peter, der König der Piscos, beantwortet mir endlich alle meine Fragen, die ich schon immer zum Thema Flyfishing hatte, und Friedel verwöhnt uns mit deftiger Hausmannskost. (Vielen Dank, Friedel und Peter, für eure Gastfreundschaft!)
Die Zufahrt zu dem größten Skigebiet des Landes, dem Valle Nevado, ist steil und einspurig. Einige der Haarnadelkurven sind sogar so eng, dass wir in den Kurven rangieren müssen. Kein Wunder, dass diese Straße im Winter nur mit Schneeketten befahrbar ist und an Wochenenden Einbahnverkehr im Vier-Stunden-Takt herrscht. Das Skigebiet von Valle Nevado ist deutlich größer
als das von Portillo, die Abfahrten sind länger und anspruchsvoller, so dass wir auch hier voll auf unsere Kosten kommen und uns wieder mal so richtig austoben können.
Die Fahrt durchs Valle Central, dem Obst-, Gemüse- und Weinanbaugebiet Chiles, ist eine ziemlich trübe Angelegenheit. Morgens dichter Nebel. Mittags Nieselregen. Nachmittags Regen. Abends wieder Nebel. Die Schneegrenze liegt bei etwa 1000 Metern. Nicht gerade die ideale Voraussetzung für Trekkingtouren in den Bergen. Wir versuchen es trotzdem. Der Nationalpark Altos de Lircay öffnet offiziell erst im Dezember. Der Ranger drückt uns trotzdem eine Wanderkarte in die Hand, verzichtet aber darauf, Eintritt zu verlangen. Weit würden wir sowieso nicht kommen, meint er. Und er soll Recht behalten. Bereits wenige Meter nach dem Eingangstor stapfen wir durch tiefen Schnee. Ein paar Kilometer später sehen wir schließlich ein, dass es keinen Sinn macht, eine der vielen Mehrtagestouren in Angriff zu nehmen. Nicht nur, dass unter diesen Wetterbedingungen aus einer Zwei-Tages-Tour schnell eine ungeplante Vier-Tages-Tour werden kann, auch die faszinierende Landschaft, wegen der wir eigentlich hier sind, liegt unter einer dicken Schneedecke begraben. Wir sind einfach zu früh dran. Da hilft nur eins: Später wiederkommen. Also verschieben wir alle Outdoor-Aktivitäten in der Region auf den hiesigen Sommer – d. h. auf die Monate Dezember bis April – und konzentrieren uns zunächst einmal auf die Dinge, die man unabhängig von Wetter und Jahreszeit besichtigen kann.
Im Tiefland herrschen bereits sommerliche Temperaturen. Die Obstbäume blühen in Weiß und Rosa. Die Bauern bestellen ihre Äcker – mit Handpflug und vorgespannten Ochsen. Der Weg an die Küste führt durch unendliche
Kiefernplantagen. Statt des ursprünglichen chilenischen Urwaldes schießen hier, in Reih und Glied stehend, die schnell wachsenden Nadelbäume in den Himmel. Bereits nach 20 Jahren ist eine Kiefer groß genug, um gefällt zu werden. Die Bäume werden in einem der vielen Sägewerke zu Sägespänen verarbeitet, auf Frachtschiffe geladen und nach Japan verschifft, wo die Zellulose anschließend zu Papier verarbeitet wird. Ab und zu werden die künstlichen Kiefernwälder durch Eukalyptus-Plantagen durchbrochen. Man riecht sie meistens schon, bevor man sie sieht.
Bei Constitución erreichen wir die Pazifikküste. Saftiger, grüner Bewuchs reicht bis an die Klippen heran, die abrupt und steil abfallen und in schwarzen Sandstränden enden, auf denen vom Wind und von den Gezeiten bizarr geformte Felsformationen stehen. Constitución ist eine beschauliche Stadt am Meer. Mit bunten Holzhäuschen, von denen die Farbe abblättert. Mit spitzen Giebeldächern, Sprossenfenstern nd Blumenkästen auf der Veranda. Und von allen Dächern und Balkonen weht die chilenische Fahne, in den Fenstern hängen Girlanden in den Landesfarben, alle Straßen und Häuser erstrahlen in Blau, Rot und Weiß. Der Unabhängigkeitstag Chiles steht vor der Tür. Dieses Jahr fällt der 18. September auf einen Dienstag. Ab dem Freitag davor wird gefeiert. In größeren Städten gibt es Militärparaden und Umzüge. Immer wieder sehen wir herausgeputzte Reiter mit ausladenden Hüten und kurzen
Ponchos stolz auf ihren Pferden durch die Straßen reiten. Die Jüngsten unter ihnen sind höchstens drei Jahre alt und halten sich ohne Probleme im Sattel. Schwierigkeiten damit, sich auf den Beinen zu halten, haben dagegen einige derer, die wir auf unserer Fahrt entlang des Río Biobío antreffen. Das Gebiet gehört den Pehuelche-Indianern – und die haben offensichtlich ihre eigene Art, den Feiertag zu begehen. Bereits gegen Mittag säumen die ersten Betrunkenen den Straßenrand, schlafend liegen sie im Straßengraben, den schweren Kopf auf den vermutlich leeren Weinkarton gestützt.
Im Reserva Nacional Ralco macht uns der Schnee einen Strich durch die Rechnung, so dass wir nicht wie geplant von hier weiter auf der landschaftlich sehr reizvollen Strecke entlang des chilenischen Seengebiets direkt nach Lonquimay fahren können. Und auch der Ausflug in den Nationalpark Conguillio am Fuße des Vulkans Llaima fällt buchstäblich ins Wasser. Der ganze Himmel hängt in Wolken und es regnet ohne Pause von morgens bis abends. Der graue Himmel, die schwarze Erde, das schwarze Lavagestein im Flussbett, die silbergrauen, dörren Bäume – da will keine rechte Wanderlaune aufkommen. Dabei muss die Landschaft bei Sonnenschein atemberaubend sein: Araukarienwälder, meterhohe Wasserfälle, kristallklare Flüsse, grüne Bergseen… Doch dieses Mal schaffen wir es erst gar nicht bis zum Parkeingang. Bereits etliche Kilometer vorher fahren wir schon durch tiefen Schnee. Und als wir schließlich vor einem unüberwindlichen, weil zu hohen Schneefeld stehen, wenden wir uns – nicht ohne uns zu geloben, auch hierher zu einer anderen Jahreszeit zurückzukehren – erneut der Küste zu.
Die Hafenstadt Valdivia liegt strategisch günstig an der Einmündung dreier Flüsse in den Pazifik und die spanischen Eroberer haben deshalb hier auch gleich drei Forts errichtet. Doch eigentlich ist Valdivia eine „deutsche" Stadt. Ab 1850 wanderten viele Deutsche nach Chile aus, weil sie mit den politischen
Verhältnissen in ihrer Heimat unzufrieden waren und dem Preußenstaat den Rücken kehren wollten. Sie wollten so weit wie möglich weg, am besten ans Ende der Welt, dorthin, wo sie in Frieden und Freiheit leben konnten. Viele, vor allem Handwerker, ließen sich in Valdivia nieder, bauten Schulen, gründeten Industrien und verhalfen der Stadt zu Reichtum. Die Häuser der deutschen Siedler waren aus Holz gebaut, mit Spitzgiebeln, Sprossenfenstern,
Schindelverkleidung, Verandas und Säulen. Leider fielen die meisten der Häuser dem großen Seebeben 1960 zum Opfer, so dass heute nur noch einige wenige zu besichtigen sind. Doch noch immer finden sich deutsche Wurzeln. So gibt es zum Beispiel deutsches Brot (Bauernbrot, Sauerteigbrot, Schwarzbrot) zu kaufen, es gibt eine deutsche Brauerei und auf der Weide grast deutsches Fleckvieh. Doch die Attraktion schlechthin sind die Seelöwen auf dem Fischmarkt. Dass Seelöwen Fisch essen, ist allgemein bekannt. Dass sie auf dem Fischmarkt einkaufen, war uns neu. Doch in Valdivia tummeln sie sich im Wasser direkt hinter den Fischständen und warten darauf, dass einer der Händler ihnen die Reste eines Lachses oder eines Seehechts über den Zaun hinweg in den Rachen wirft. Ein paar ganz dreiste Seelöwen haben ihre schweren Körper an Land gewuchtet, die Absperrung umgangen und sitzen nun den Fischverkäufern, die geschickt einen Fisch nach dem anderen für ihre Kundschaft filetieren, ziemlich dicht im Nacken. Aber scheinbar haben die Seelöwen gelernt, dass es ratsamer ist, den Verkäufer nicht ins Bein zu beißen, sondern darauf zu vertrauen, dass dieser freiwillig etwas abgibt. Auch wir können bei dem Angebot an frischem Fisch nicht widerstehen und kaufen den kleinsten Lachs, den es gibt. Er ist ein Kilogramm schwer. An diesem Abend gibt es bei uns im Landy Lachs mit Lachs und Lachs und am nächsten Morgen riechen wir wie ein Fischkutter auf Rädern.
In Osorno sind die touristischen Sehenswürdigkeiten ebenfalls deutschen Ursprungs. Die bunten, verspielten Holzhäuschen aus der Gründerzeit tragen Namen wie „Casa Schüller", „Casa Stückrath" usw. Sogar deutscher als deutsch sind die Ortschaften und Anwesen am Ufer des Lago Lanquihue, dem zweitgrößten See Chiles. In Frutillar findet man entlang einer Uferpromenade, die für südamerikanische Verhältnisse schlichtweg zu ordentlich aussieht, ein „Café am See" und einen „Kuchenladen". Etwas außerhalb gibt es das „Hotel Salzburg" und eine Pension mit dem Namen „Wie zu Hause". Frutillar, einst
ein Zentrum deutscher Auswanderer, ist heute beliebtes Ausflugsziel für die Chilenen, die es sich leisten können. Der Ort selbst sieht aus wie dem Prospekt des oberbayrischen Fremdverkehrsverbundes entsprungen. Würde plötzlich jemand im Dirndl oder in Lederhosen um die Ecke kommen – niemanden würde es wundern. Was Frutillar so einzigartig macht, ist sein spektakuläres Panorama. Am gegenüberliegenden Seeufer ragt nämlich der perfekt geformte, schneeweiße Kegel des Vulkans Osorno in den Himmel.
Wir fahren am Seeufer entlang und weiter bis zum Lago Todos los Santos, der wegen seiner smaragdgrünen Farbe auch „Lago Esmeralda" genannt wird. Der See ist beliebtes Urlaubsziel betuchter nordamerikanischer Fliegenfischer – und genauso sieht es an seinen Ufern auch aus. Wäre man ohne Auto unterwegs, so könnte man von hier mit Boot und Bus nach Argentinien weiterreisen und käme direkt im Nationalpark Nahuel Huapi heraus. Autofahrern steht dieser Weg nicht offen, da es keine Autofähre über den See gibt.
Ich weiß nicht mehr, wer das Geräusch als erster gehört hat, denn wie immer, wenn irgendwo am Landy ein Geräusch auftaucht, das vorher nicht da war, ignorieren wir es erst einmal eine Weile, in der Hoffnung, es möge von allein wieder verschwinden. Doch das Klacken beim Anfahren, beim Schalten, beim Bremsen und beim Lenken verschwindet nicht. Es wird immer lauter. Und wir haben da einen ganz schlimmen Verdacht. Das Gute daran: Nun haben wir wenigstens neulich im Baumarkt den Arbeitsanzug für Tobias nicht umsonst gekauft. Tobias wirft sich also in seine neue Klamotte, kriecht unters Auto und verkündet kurz darauf die schlechte Nachricht. Die Buchsen, die wir ja erst vor 4.000 km in Mendoza (Argentinien) haben wechseln lassen, haben bereits wieder Spiel, die entsprechende Schraube am Rahmen war nicht festgezogen worden. „Ich hab’s allmählich satt", schimpft Tobias, „jedes Mal, wenn wir den Landy in eine Werkstatt bringen, ist hinterher mehr kaputt als vorher!". Na ja, das stimmt nicht ganz. Um korrekt zu sein, befindet sich der Landy lediglich im gleichen Zustand wie vor der Reparatur. Und das wird wohl jetzt auch noch eine Weile so bleiben. Zumindest was die Buchsen betrifft.
Unsere Fahrt geht weiter zum Lago Tagua Tagua. Wir umrunden den Seno Reloncavi, einen tief ins Landesinnere hineinreichenden Fjord, in dessen stillen Ufergewässern hunderte von Fisch- und Muschelfarmen angesiedelt wurden. In den Buchten liegen kleine, bunte Fischerboote und vor den Häusern der Fischer türmen sich Berge leerer Muschelschalen. Wir machen einen Abstecher nach Hornopirén, einem verschlafenen, aber sympathischen Ort am Beginn der Carretera Austral, der vermutlich erst dann aus seinem Schlaf erwacht, wenn im Sommer die Touristen aus aller Welt hier einfallen. Seit Stunden fahren wir nur an Zäunen entlang. Schilder weisen darauf hin, dass es sich bei den eingezäunten Weideflächen um privates Land handelt, das nicht betreten werden darf. Der Zufall will es, dass wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit an ein nicht abgesperrtes Flussufer kommen. Ein idealer Stellplatz für die Nacht. Es dauert keine zehn Minuten, da steht auch schon der Besitzer vor uns und erklärt uns, dass das alles um uns herum Privatbesitz, genau genommen, sein Besitz sei. Doch er will uns keinesfalls verscheuchen, er will uns auch kein Geld abknöpfen, im Gegenteil, er will nur Bescheid sagen, dass er in dem kleinen Häuschen oben an der Straße wohnt und dass wir jederzeit willkommen sind.
In Puerto Montt gehen wir – wie könnte es anders sein – zuerst auf den Fischmarkt. Tobias bestellt sich eine „Baila de Mariscons", eine würzige Muschelsuppe und überredet mich dazu, mir eine „Curanto" zu bestellen, die laut Reiseführer eine „dicke Fischsuppe" sein soll. Das was die Bedienung vor mir auf dem Tisch abstellt, hat jedoch mehr Ähnlichkeit mit einer Schlachtplatte. Hühnchen, Fleischstücke, Bratwürste, Kartoffeln und ein riesiger Berg Muscheln türmen sich vor mir auf. Die Brühe wird separat in einer Kaffeetasse serviert. Okay, es war ein Versuch, aber in Zukunft braten wir unseren Fisch wieder selbst. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir auch dieses Mal auf dem Fischmarkt wieder den kleinsten Lachs kaufen, den es gibt. Er wiegt diesmal 1,2 Kilogramm und versorgt uns drei Tage lang mit Essen.
Chiloé, die zweitgrößte Insel Südamerikas, nach Feuerland, ist nicht ganz 200 Kilometer lang und etwa 35 Kilometer breit. Ursprünglich war Chiloé von den Chono besiedelt, später auch von den Mapuche, die nach Süden drängten. Schließlich kamen im 16. Jahrhundert die spanischen Eroberer auf die Insel. Heute ist auf der Insel von den Chono und den Mapuche, also von der eigentlichen Chilote-Kultur, so gut wie nichts mehr übrig. Die Lanchones, Segelboote, mit denen die Chiloten einst zum Fischfang aufs Meer hinaus gesegelt sind, wurden längst durch bunte Motorboote ersetzt. Erhalten geblieben sind die Palafitos, jene Stelzenhäuser, die so in die Uferböschung gebaut wurden, dass sie oben an der Straße wie eine normale Häuserzeile aussehen, auf der dem Meer zugewandten Seite bei Ebbe etliche Meter über dem Strand stehen und bei Flut knapp über der Wasseroberfläche enden. Die übrigen Sehenswürdigkeiten auf Chiloé entstammen dem
späten 19. bzw. dem frühen 20. Jahrhundert und sind nordeuropäisch geprägt. Die Rede ist von schindelverkleideten Holzhäuschen und Kirchen. Sieht man genau hin, stellt man fest, dass fast kein Haus dem anderen gleicht. Unterschiedliche Formen und Anordnungen der Schindeln und natürlich die immer zweifarbigen Anstriche verleihen jeder Fassade ihre individuelle Note. Davon abgesehen erinnert Chiloé ein bisschen an österreichische Bergidylle – ans Meer versetzt. Auf den rollenden grünen Hügeln, blühen gelbe Büsche und grasen schwarz-weiß gefleckte Kühe, Schafe und Pferde.
Die Fähre von Quellón nach Chacabuco fährt in der Wintersaison nur einmal die Woche und ist, da der Versorgungstransport Vorrang hat, lange im Voraus ausgebucht. Der nächste für uns in Frage kommende offene Grenzübergang nach Argentinien ist demnach der Paso Puyehue. Also fahren wir wieder zurück, über Puerto Montt und Osorno, weiter über Entre Lagos in den Nationalpark Puyehue, der direkt an der Grenze zu Argentinien liegt. Hier gehen wir zwischen Bambuswäldern, Farnen und Buchen ein bisschen wandern und genießen dabei diesen ganz besonderen Duft, der in der Luft liegt. Es riecht nach Frühling. Zu diesem Zeitpunkt können wir natürlich noch nicht wissen, dass jenseits des Passes, in Argentinien, meterhohe Schneewächten die Straße säumen. Wir wissen nur, dass es allmählich an der Zeit ist, uns auf den Weg an die argentinische Atlantikküste zu machen. Denn dort treffen jedes Jahr im Frühling die Wale ein, um sich zu paaren. Aber dazu mehr im nächsten Bericht.