Reisebericht 34 vom 04.11.07 – 10.11.07: Feuerland – Der chilenische Westteil


Route: Monte Aymond – Magellanstraße – Porvenir – Circuito de Oro – Bahia Inútil – Cameron – Lago Blanco – Pampa Guanaco – Lago Deseado – Lago Fagnano – Río Rasmussen – San Sebastian – Rio Grande (Argentinien) – Magellanstraße


Früher als geplant setzen wir bei Puerto Espora, dem engsten Punkt der Magellanstraße, mit der Fähre vom Festland auf die Insel über. Eigentlich wollten wir uns erst Ende November in den südlichsten Teil des Kontinents begeben, aber ein gerissenes Bremsseil trägt Schuld daran, dass wir schon jetzt, Anfang November, einen kurzen Abstecher nach Feuerland machen. Tierra del Fuego,

 

Feuerland, besteht aus einer Hauptinsel und vielen kleinen Nebeninseln, die zusammen ein 73.500 km² großes Archipel bilden. Mehr oder weniger schnurgerade von Nord nach Süd verläuft eine Grenzlinie und teilt die Hauptinsel in einen etwas größeren chilenischen Westen und einen etwas kleineren argentinischen Osten. Der Name „Feuerland“ geht zurück auf den portugiesischen Seefahrer Ferdinand Magellan, der 1520 bei der Durchsegelung der nach ihm benannten Durchfahrt, an den Ufern Rauch aufsteigen sah. Wieder zurück in Spanien berichtete er dem König von der „Tierra del Humo“, dem „Land des Rauchs“. Der König, Karl V, kombinierte daraufhin, dass dort, wo Rauch ist, auch Feuer sein müsse – und gab der Insel ihren heutigen Namen „Tierra del Fuego - Feuerland“.

 

Porvenir heißt Zukunft. Porvenir ist der größte chilenische Ort auf Feuerland. Wir kennen Porvenir bereits von unserem letzten Besuch vor vier Jahren – und haben es in nicht gerade guter Erinnerung. Damals regnete es in Strömen. Wir hatten vier Stunden Zeit und nichts zu tun. Trotzdem geben wir dem Ort eine zweite Chance. Dieses Mal scheint die Sonne und taucht die bunt bemalten Blechhäuschen in ein freundliches und friedliches Licht. Es ist noch immer nichts los in Porvenir.Gleich hinter Porvenir zweigt der Circuito de Oro ab und führt durch das Gebiet der Goldschürfer. 1879 führte Leutnant Ramón Serrano Montaner von der chilenischen Marine eine Expedition durch Tierra del Fuego und machte dabei zwei Entdeckungen. Erstens stellte er fest, dass auf Feuerland extrem gute Bedingungen für die Schafzucht herrschten. Zweitens fand er heraus, dass es in der Sierra Boqueron Gold gab. Kurz darauf, im Jahre 1883, wurde die erste Schafzucht-Estancia auf Feuerland gegründet. Sie heißt „Gente Grande“ und liegt nördlich von Porvenir. Und natürlich kamen die Goldschürfer auf der Suche nach dem gelben Metall. Heute stehen entlang des Circuito de Oro noch immer ein paar Goldgräberhüttchen. Und noch immer wird nach Gold geschürft. Östlich von Cameron steht ein alter Goldbagger, der noch bis 1910 in Betrieb war, mitten auf einem umgepflügten Goldacker und rostet vor sich hin. Kurzerhand wurde er zum „Monumento Nacional“ erklärt – und die Goldgräberfirma damit des Problems der Müllentsorgung enthoben.Bis an die südliche Küste der Bahía Inútil, jener „nutzlosen Bucht“, in der sich Magellan – wie bei so vielen anderen Buchten auch – die ersehnte Durchfahrt erhofft hatte, unterscheidet sich die Landschaft nicht wesentlich von der patagonischen Steppe des Festlandes: Flaches Land, niedriges Buschwerk, Steppengras, Guanaco-Herden, weidende Schafe, dazwischen ab und zu ein Estancia-Gebäude mit weiß angestrichener Fassade und rotem Dach. Bei Cameron beginnt der erste Wald. Die Südbuchen mit ihren kleinen Blättern sind mit Flechten überzogen und mit Moos bewachsen. Der permanente Wind hat sie alle in dieselbe Richtung gebeugt. Wo immer ein Fluss oder Bach durch diese Landschaft fließt, haben Biber ihre Dämme gebaut und das Wasser zu Tümpeln und Seen aufgestaut. Drumherum türmen sich abgestorbene Bäume mit silbrig grauer Rinde.

 

Wir haben noch etwas Zeit, ehe wir unser Päckchen mit den Autoersatzteilen in Rio Grande abholen können – und so fahren wir an den Lago Blanco und ins Valle Castores. Hinter Pampa Guanaco, einem kleinen Ort mit Polizeistation und mobilem Zahnarztpraxis-Container, führt eine Straße zum Lago Deseado. Am Straßenrand steht ein Schild der Straßenbaubehörde, auf dem sie sich selbst loben, eine 220 km lange Strecke fertig gestellt zu haben. Sofort hat Tobias die Landkarte in der Hand und rechnet nach. Bis zum Lago Deseado dürften es nur etwa 160 km sein. Die Straße muss also weiter gehen. Am Ende gar bis zum Lago Fagnano? Die Straße ist, bis auf einige Schlammlöcher, in wirklich gutem Zustand. Sie zieht sich erst durch ein breites, feuchtes Tal, schlängelt sich dann einen bewaldeten Bergrücken hoch, vorbei an unberührten Schneefeldern. Von hier oben können wir am Horizont die Präkordillere der Darwin-Kordillere sehen. Unten im Tal leuchten die für Feuerland typischen roten Sumpf- und Moorflächen. Der Lago Deseado liegt still in der Sonne. Und die Straße geht tatsächlich weiter. Sie schraubt sich in steilen Serpentinen einen weiteren Pass hoch, von dem aus wir einen fantastischen Blick auf die verschneiten und vergletscherten Berge der Darwin-Kordillere haben, und fällt dann genauso steil bis zum Lago Fagnano ab. Von hier sind es noch 45 km Luftlinie bis Ushuaia.

Doch die südlichste Stadt der Welt wird noch eine Weile auf uns warten müssen.

 

Die Straße zum Lago Deseado und weiter zum Lago Fagnano führt durch den Nationalpark Río Condor. Dieses Waldgebiet war 2003 von der Investmentbank Goldmann-Sachs gekauft worden, um die Abholzung des Gebietes zu verhindern. 2004 spendete Goldmann-Sachs das Gebiet der Wildlife Conservation Society. Außer der einen Straße existieren keine weiteren Wege, so dass der Nationalpark defacto leider nicht zugänglich ist. Wir fahren 220 km hin und 220 km zurück – ohne einer einzigen Menschenseele zu begegnen. Ein komisches Gefühl.

 

Bei San Sebastian fahren wir über die Grenze in den argentinischen Teil Feuerlands. Es ist Mittwoch Nachmittag als wir in Rio Grande ankommen. Das Päckchen, auf das wir warten, war für Dienstag avisiert. Doch der Angestellte hinter dem Tresen schüttelt bedauernd den Kopf. Kein Päckchen auf unseren Namen. Vielleicht morgen. Betrübt ziehen wir von dannen. In Rio Grande ist gerade Rush Hour. Es ist 17.30 Uhr und die meisten Geschäfte öffnen nach der für Argentinien typischen langen Mittagspause gegen 18 Uhr noch einmal für drei oder vier Stunden. Auch an den Tankstellen herrscht Hochbetrieb. Und an allen Tankstellen gibt es eine extra Diesel-Zapfsäule für Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen – mit höherem Preis. Schon wieder! Ohne zu zögern fährt Tobias an die normale Zapfsäule mit dem normalen Preis. Der Tankwart erkennt in uns natürlich sofort die Gringos und will wissen, ob wir Argentinien bereisen. Doch Tobias geht ihm nicht in die Falle und tischt dem armen Tankwart die Story vom wilden Pferd auf. Ich sitze im Auto und lausche schmunzelnd den Ausführungen. Über das Gesicht des Tankwarts huscht ein Lächeln, schließlich ist er auch dreizehn Jahre lang mit dem Rucksack durch den Norden Argentiniens gereist, bevor es ihn nach Feuerland verschlagen hat. Der nette Plausch spart uns fast 20 Euro.

 

Da wir nun schon mal hier sind, schauen wir uns auch gleich ein bisschen die Gegend an. Die Küste, die riesige Estancia der Familie Menendez und die Estancia Maria Behety – letztere mit angeschlossenem 9-Loch-Golfplatz.

 

Am Polizeikontrollposten werden wir von einem Polizisten gestoppt, der – man glaubt es kaum – uns nur deshalb anhält, um mit uns zu plaudern. Ja, wir sind wieder in Argentinien. Die Menschen sind entspannt und freundlich.

 

Am Donnerstag Nachmittag ist von einem Paket noch immer nichts zu sehen. Der Flieger konnte wegen zu starken Windes nicht landen. Vielleicht gegen 18 Uhr, vertröstet man uns. Um 18.30 Uhr ist das Flugzeug zwar gelandet, aber noch nicht entladen. Vielleicht so gegen 21 Uhr … Wir beschließen, am nächsten Morgen wieder zu kommen. Allmählich werden wir unruhig. Doch am nächsten Morgen empfängt uns der Angestellte schon mit breitem Grinsen und unserem Paket unter dem Arm. Jetzt brauchen wir nur noch eine Werkstatt. Den Gang zum Landrover-Händler und zur angeschlossenen Landrover-Vertragswerkstatt hätten wir uns sparen können. Dort ist man so hilfsbereit und freundlich wie überall bei Landrover – seit wir die USA verlassen haben. Also versuchen wir unser Glück in den kleineren Werkstätten, die überall über die Stadt verstreut sind. In der zweiten Werkstatt werden wir sofort herein gewunken. Es geht los. Als unser Landy aufgebockt und nicht fahrbereit in der Halle steht, kommt ein Pärchen, um ihren Wagen abzuholen. Erst jetzt merken wir, dass wir die komplette Ein- und Ausfahrt blockieren. Doch ohne zu murren setzen sich die beiden in ihr Auto, trinken Mate-Tee und warten sage und schreibe fast zwei Stunden. Zeit spielt in Argentinien eben nur eine untergeordnete Rolle.Während Tobias unter dem Landy liegt und selbst mit Hand anlegt, unterhalte ich mich mit dem Werkstattbesitzer, einem freundlichen, älteren Herrn. Er hat eine Statistik gelesen, wonach in Europa 1 kg Fleisch etwa 42 Euro kostet, ein kg Audi Neuwagen im Durchschnitt jedoch nur 30 Euro. Doch er findet es viel weniger befremdlich, dass das Fahrzeug besser abschneidet, sondern wundert sich vielmehr darüber, wie ein Kilogramm Fleisch so dermaßen teuer sein kann. In Argentinien zahlt man für ein Kilogramm gerade mal zwischen zwei und drei Euro. Dann wendet er sich an einen seiner Mitarbeiter und erklärt ihm die Offroad-Ausstattung unseres Fahrzeugs: die Waffleboards für Sand- und Schlammdurchfahrten, das verstärkte Fahrwerk, den Schnorchel. Sein abschließender Kommentar lautet: In Deutschland haben sie alles, das gesamte Offroad-Equipment gibt es dort zu kaufen. Und wofür? Für asphaltierte Autobahnen.“ In diesem Sinne: Bis zum nächsten Mal.


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