Reisebericht 12 vom 02.09.06 – 16.09.06: Mexiko - Die Welt der Maya


Route: Matatlán – Istmus – Tuxtla Gutierrez – Cañon Sumidero – San Cristóbal de las Casas – Comitán – Lagunas Montebello – Las Nubes – Selva Lacandonia – Benemérito de las Americas – Yaxchilan – Bonampak – Palenque – Campeche – Edzna – Uxmal – Chichen Itza – Tulum – Ixcalak – Chetumal


Nachdem wir die Demonstrationen in Oaxaca unbeschadet überstanden haben, machen wir uns auf den Weg nach Chiapas, der Hochburg der Zapatisten. Der südlichste mexikanische Bundesstaat hat einen extrem hohen Anteil an indigener Bevölkerung und gilt in den Augen vieler Nordmexikaner als rückständig. Wir sind jedoch angenehm überrascht. Die Menschen hier sind offener als in anderen Teilen Mexikos. Die Straßen sind in einem erstaunlich guten Zustand (besser als im Norden des Landes) und vor allem sauber. Am Straßenrand liegt nahezu kein Müll. Zu unserer Linken erstrecken sich endlose, saftig grüne Hügelketten. Zu unserer Rechten ebenso. Die Temperaturen steigen mit jedem Meter, den wir zurücklegen. Die Luftfeuchtigkeit auch. Wir nähern uns dem Regenwald.

 

Wir machen Halt in Chiapas’ Hauptstadt, Tuxtla Gutierrez, um uns den Sumidero-Canyon anzusehen und dem Zoo einen Besuch abzustatten. Danach wissen wir zumindest, welchen Tieren wir im Regenwald lieber nicht begegnen möchten. Weiter geht die Fahrt über San Cristóbal de las Casas und Comitán zum Nationalpark Lagunas de Montebello. Und dann, 60 km östlich der Lagunen, tauchen wir bei Las Nubes endlich ein in den Dschungel und

wagen uns zu Fuß durchs Gebüsch. Viel interessanter als die üppige Vegetation ist die Geräuschkulisse, die uns umgibt. Unzählige Papageien und andere Vögel zwitschern in den Zweigen ihr Lied – nur blicken lässt sich keiner von ihnen.

 

Auf der etwa 500 Kilometer langen Strecke von den Lagunen bis Yaxchilán gibt es keine einzige Tankstelle, dafür aber fünf Militärkontrollen. Doch die sind meist nur neugierig und wollen einfach mal einen Blick in unser Auto werfen. Wir bleiben freundlich und üben uns in Geduld.

 

Yaxchilán, die berühmte Maya-Stätte, liegt mitten im Urwald am Usumacinta, dem Grenzfluss zu Guatemala, und ist nur mit dem Boot erreichbar. Wir schlucken erst einmal, als wir die Preise sehen: 650 Pesos (65 US-Dollar) soll die 40-minütige Überfahrt kosten. Wir einigen uns schließlich auf 500 Pesos – und das ist noch zu viel. Yaxchilán ist weniger wegen der stark zerfallenen Bauten einen Besuch wert, als vielmehr wegen seiner beeindruckenden Lage mitten im Regenwald. Während wir von einem Bau zum nächsten spazieren, hangeln sich über unseren Köpfen die Brüllaffen von einem Ast zum anderen und lassen dabei ihr markerschütterndes Geschrei ertönen. Bonampak liegt nicht weit entfernt, deshalb steuern wir es als nächstes an. Die Anlage selbst hat, abgesehen von den Wandmalereien im Templo de las Pinturas, die Szenen aus dem höfischen Leben, Opferhandlungen und Siegesfeiern darstellen, nicht viel zu bieten. Da ist unser Taxifahrer, der uns zu den Ruinen fährt (denn natürlich darf man die Zufahrtstraße nicht mit eigenem Wagen passieren) schon eher ein Augenschmaus. Er ist einer jener Nachfahren der Maya, die heute noch im Lacandonen-Regenwald leben, und ein Lacandone wie aus dem Bilderbuch: kleinwüchsig, schmächtig, mit schmalem Gesicht und schulterlangen, pechschwarzen Haaren. Und er navigiert sein Taxi so flott über die Schlaglochpiste, dass selbst Michael Schuhmacher vor Neid erblassen würde.

 

Die nächste Maya-Stätte auf unserer Route ist Palenque. Sie liegt ähnlich wie Yaxchilán mitten im Regenwald, ist aber viel besser erhalten bzw. restauriert und entsprechend eindrucksvoller. Es ist kurz vor Mittag, als wir uns auf den Weg zu den Ruinen machen. In der Nacht zuvor hat es geregnet, nun verdunstet die Feuchtigkeit in der Mittagshitze. Um uns herum dampft die Erde. Gemächlichen Schrittes erkunden wir die Anlage – und sammeln bei dieser Gelegenheit auch gleich ein paar Avocados und Kokosnüsse ein, die im Gras liegen.

 

Über Campeche, einer malerischen Stadt am Meer, die mit ihren bunten Häuschen und den Resten eines Forts karibisches Flair verströmt, gelangen wir nach Edzná, einer bedeutenden Maya-Stätte. Trotz der feuchten Hitze, die uns den Schweiß aus allen Poren treibt, steigen wir die steilen Stufen des 32 Meter hohen Edificio de los Cinco Pisos, des Gebäudes der fünf Stockwerke hinauf. Von hier oben haben wir nicht nur einen guten Überblick über die gesamte Anlage, sondern auch über das Umland. Und das ist flach bis zum Horizont. Kein einziger Hügel. Nur Wald. Auf dem Weg nach draußen sehe ich aus den Augenwinkeln, wie eine von Tobias’ Trekkingsandalen neben etwas Rot-Schwarz-Geringeltem auf dem Boden aufsetzt. Es dauert eine Weile, bis mein Gehirn die Information verarbeitet hat und ich ihn warnen kann. Es ist eine Coral Snake, von der es zwei Arten gibt, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen.

Eine ist hoch giftig, die andere eher harmlos. Ich möchte lieber gar nicht wissen, welcher von beiden wir begegnet sind. Bei unserer nächsten Besichtigung in Uxmal tragen wir beide jedenfalls lange Hosen und geschlossene Schuhe. Uxmal ist einer sehr schöne und große Anlage. An vielen Ruinen sind noch die ursprünglichen Verzierungen und Farbreste zu erkennen, so dass man einen guten Eindruck vom ehemaligen Glanz der Tempelanlage vermittelt bekommt. Natürlich lassen wir es uns nicht nehmen, die große Pyramide zu besteigen. Hier oben weht ein angenehmes Lüftchen. Wir machen es uns bequem und überlegen, welche Richtung wir nun einschlagen.

 

Ursprünglich sollte Uxmal die letzte Maya-Ruine sein, die wir in Mexiko besuchen. Darüber hinaus haben wir keine Lust auf Cancun und den Massentourismus-Rummel. Das was wir bisher von der Yucatan-Halbinsel gesehen haben, reicht uns völlig. Wir wollen nicht riskieren, dass unser bis jetzt

durchweg positiver Eindruck von Mexiko auf den letzten Metern doch noch zunichte gemacht wird. Aber hat man die Welt der Maya wirklich gesehen, wenn man nicht in Chichen Itza war? Wir werden es nicht rausfinden, wenn wir uns diese Ruinen nicht ansehen. Also fahren wir hin. Auch wenn die teilweise rekonstruierte Pyramide von Chichen Itza sehr sehenswert ist und an den Gebäuden zum Teil noch sehr gut erhaltene Reliefs zu sehen sind, beeindruckt uns die gesamte Anlage nicht so sehr wie die von Palenque oder Uxmal. Sie ist weitaus überlaufener als alle anderen Ruinen und die Straße zur Cenote verdient den Namen „Straße der Händler“. Den Touristen scheint es zu gefallen. Tütenweise schleppen sie ihre Souvenirs zurück zum Tour-Bus. Und man könnte den Eindruck gewinnen, die Maya-Bauwerke werden von ihnen lediglich als nette Kulisse für ihren Einkaufsbummel wahrgenommen.

 

Weiter geht es nach Tulum. Allerdings lassen wir die Ruinen von Tulum, die direkt am Meer liegen, links liegen und wenden uns dem Strandabschnitt Richtung Punta Allen zu. Die Straße führt zunächst an einigen Resort-Hotels vorbei und dann durch ein Biosphären-Reservat. Eintritt 20 Pesos pro Person und Tag. Da wir noch nicht wissen, wie lange wir am Strand bleiben werden, zahlen wir erst einmal nur für einen Tag. Und das ist gut so. Die Straße ist in gutem Zustand. Zwei Stunden später haben wir Punta Allen, einen ziemlich trostlosen Fischerort erreicht. Doch einen hübschen Strand haben wir nicht gefunden. Entweder ist alles privates Land und eingezäunt oder der Strand ist zwar offen zugänglich, aber total vermüllt. Wir drehen um. In der Dämmerung kreuzen zwei Papageien, ein Gürteltier, ein Coatimundi und noch eine Wildkatze, die wir nicht zuordnen können, unseren Weg. Das was zuerst wie eine Vogelspinne ausgesehen hat, die sich im Gebüsch versteckt, entpuppt sich auf den zweiten Blick als Krabbe. Und aus einer Krabbe werden plötzlich hunderte von Krabben, die im Schutz der Dunkelheit Richtung Meer wandern – und dabei auch die Straße überqueren müssen. So gesehen hat sich der Eintritt wenigstens gelohnt.

 

Wir geben nicht auf und fahren weiter nach Süden. Vielleicht gibt es ja zwischen Mahahual und Ixcalak einen netten Strandabschnitt. Wir nehmen die asphaltierte Straße nach Ixcalak, die ca. 2 km parallel zur Küstenstraße im Landesinnern verläuft, und halten in Ixcalak erst einmal Ausschau nach einem Tauchladen. Als wir jedoch die völlig verrosteten Tanks sehen, verschieben wir das Untertauchen auf unbestimmte Zeit. Entlang der Küstenstraße wollen wir zurück fahren – doch nach ca. 20 km geht es nicht mehr weiter, weil es keine Brücke mehr über den Kanal gibt. Also drehen wir wieder um, fahren auf der asphaltierten Straße zurück und nehmen eine der Verbindungsstraßen runter ans Meer. Auch entlang dieser Küste ist alles fest in privater, amerikanischer Hand – und eingezäunt. Auch hier liegt überall Müll herum. Palmen gibt es nur selten, die meisten Strandabschnitte sind schattenlos.Nach langem, wirklich langem Suchen, finden wir doch noch ein Plätzchen, das uns zusagt. Ein kleiner Weg führt hinunter an den Strand. Davor steht eine einsame Palme – und darunter sitzt ein Soldat und liest. Kein Problem. Die Palme ist schließlich groß genug für drei. Und der Soldat campt mit seinen Kameraden ohnehin fünfzig Meter weiter. Am Strand liegt der Wohlstandsmüll mehrerer Generationen – alles irgendwo auf hoher See achtlos über Bord geworfen und hier angeschwemmt. Das Meer hat ja Recht, wenn es den Dreck wieder ausspuckt. Apropos Meer … türkisblau, dreißig Grad warm – ganz so wie man sich die Karibik eben vorstellt. Wir genießen das Bad in den Wellen und verabschieden uns von Mexiko.Schön war’s. Hasta luego, México.


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