Route: NP Nahuel Huapi – San Carlos de Bariloche – Lago Steffen – El Bolsón – NP Los Alerces – Esquel – Gaimán – Trelew – Puerto Madryn – Peninsula Valdés – Punta Ninfas – Punta Tombo – Comodoro Rivadavia – Puerto Deseado – MN Bosques Petrificados – San Julián – NP Monte León – El Chaltén – El Calafate – Glaciar Perito Moreno – Rio Gallegos – Laguna Azul
Gleich hinter der Grenze beginnt der Nationalpark Nahuel Huapi. In der Mitte ein riesiger See, dessen Arme sich durch grüne Hügel fressen. Viel Wald. Und noch mehr Schnee. Zu dieser Jahreszeit ist alles oberhalb von 1200 Metern unter einer weißen Decke begraben.San Carlos de Bariloche, ganz im schweizerischen Chalet-Stil erbaut, wirkt irgendwie deplaziert in dieser Landschaft. Es sind vor allem die vielen schreiend bunten Werbetafeln in allen Sprachen, die dem Ort das Flair rauben. Walt Disney hätte sicher seine Freude
gehabt an einem Ort wie diesem. Für uns ist das nichts. Wir suchen schleunigst das Weite und fahren weiter nach El Bolsón, einer ehemaligen Hippie-Kommune, Anziehungspunkt für Aussteiger aus Buenos Aires und Europa. Die Stadt wirkt erstaunlich funktionell und aufgeräumt. Lediglich am Stadtrand sehen wir noch einige Wohnwagen-Dörfer und Projekt-Siedlungen.
Offiziell beginnt Patagonien am Rio Colorado (36° S). Glaubt man jedoch Bruce Chatwin, so beginnt Patagonien erst am Rio Negro und erstreckt sich von hier nach Süden…Patagonien – seit Beginn unserer Reise freuen wir uns auf diesen Landstrich. Zwei Tage lang fahren wir durch das Chubut-Tal an die Küste. Vor uns, hinter uns, links und rechts von uns nichts als Schafweiden, Schafweiden, Schafweiden. An einem tiefblauen Himmel hängen Schäfchenwolken wie Wattebäusche über dem niedrigen Steppengras. Ab und zu kreuzen ein paar Gauchos auf ihren Pferden unseren Weg und alle paar hundert Kilometer kommen wir an einem Farmhäuschen vorbei, das sich hinter hohen Pappeln vor dem patagonischen Wind versteckt. Dann tauchen die ersten Siedlungen auf.
Dovalon, Gaimán, Trelew … schon die Namen lassen erkennen, dass hier Waliser zu Hause sind. Im Jahre 1865 landeten 153 walisische Einwanderer in Puerto Madryn und zogen von dort ins Chubut-Tal. Noch heute kann man die alten Backsteingebäude bewundern und sich in den Teestuben aufwärmen.
Vor der Küste Puerto Madryns treffen sich jedes Jahr zwischen Juli und Dezember die Bartenwale zur Paarung. Schon von weitem sehen wir die Fluken, die etwa fünf Meter breiten Schwanzflossen, aus dem Wasser ragen. Und überall steigen Wasserfontänen senkrecht in die Höhe. In der Bucht wimmelt es von Walen. In Zweier- oder Dreiergrüppchen tummeln sie sich im seichten Wasser vor der Küste und vollführen ihre akrobatischen Paarungstänze. Das Weibchen dreht sich auf den Rücken und schlägt mit den Flossen aufs Wasser, was soviel heißt wie „Jungs, ich warte auf euch“. Immer wieder schieben die Paare ihre massigen Körper aus dem Wasser, springen und drehen sich. Manchmal schwimmen sie mit erhobenen Köpfen genau aufs Ufer zu, wo sich bereits am frühen Morgen die ersten Schaulustigen einfinden. Gefährlich schnell rast dann der unförmige Kopf, an dem das Auge ganz unten sitzt, und der mit einer dicken Kruste aus Muscheln überzogen ist, auf die Zuschauer zu, um im letzten Moment doch noch abzudrehen. Ob die Wale wissen, dass die Menschen ihnen beim Liebesspiel zusehen? Zumindest scheint es sie nicht zu stören.Bartenwale können bis zu 16 Meter lang und bis zu 54 Tonnen schwer werden. Oder bildlicher ausgedrückt: Mehr als 3mal so lang wie unser Landy und etwa 18mal so schwer. Dabei ernähren sie sich ausschließlich von Plankton, das sie durch ihre Barten filtern. Im Gegensatz zu Fischen haben die riesigen Meeressäuger eine waagrecht gestellte Schwanzflosse, Spritzlöcher, durch sie ausatmen, und eine mehrere Zentimeter dicke Fettschicht, auch Blubber genannt, unter ihrer glatten Haut. Anders als Orcas, jene „Killerwale“, die ebenfalls vor der Küste ihre Runden drehen, besitzen Bartenwale keine Rückenfinne.
Die Península Valdés, eine Halbinsel direkt vor der Küste, die wie ein Pilz in den Atlantik hinein ragt, ist nur durch einen schmalen Isthmus mit dem Festland verbunden. Die ganze Halbinsel ist ein Naturreservat und kostet Eintritt. Gleichzeitig ist aber auch die gesamte Halbinsel eingezäuntes Weideland. Entsprechend eintönig ist das Landschaftsbild: eine ebene Fläche mit niedrigem Bewuchs, dazwischen ein paar Schafe und Rinder. Das einzig Sehenswerte überhaupt ist die Küste – oder besser gesagt, die Tiere, die entlang der Küste leben.In der Seeelefanten-Kolonie gibt es Nachwuchs. Die Jungtiere sind gerade mal wenige Tage bzw. Stunden alt. Eines der Weibchen hat eben erst ein Junges zur Welt gebracht. Erschöpft und mit blutverschmiertem Bauch liegt es auf dem Kies. Das Kleine hat noch einen feuchten Pelz und die rote Nabelschnur ist deutlich zu erkennen. Noch etwas unbeholfen hebt es den schweren Kopf und robbt so nah wie möglich an seine Mutter heran. 23 Tage wird es an Land gesäugt, bevor es zum ersten Mal ins Wasser darf. Ein paar Meter weiter verscheucht der Macho-Bulle gerade ein anderes Männchen, das es gewagt hat, einem Weibchen aus seinem Harem zu nahe zu kommen. Trotz ihrer unförmigen Körper bewegen sich die Tiere erstaunlich schnell. Übrigens besitzen nur die Bullen jene Rüsselnasen, die ihnen den Namen „Seeelefanten“ eingebracht haben. Die Seelöwen, die ebenfalls hier an der Küste leben sollen, sind noch nicht da. Dafür aber die Pinguine. Paarweise stehen sie vor ihren Erdhöhlen und trotzen dem eisigen Wind. Wir versuchen eine Weile, es ihnen gleich zu tun, dann geben wir auf und verziehen uns ins warme Auto.Zurück am Strand von Puerto Madryn werden wir schon von Liz und Colin erwartet. Wir hatten den beiden per SMS die GPS-Koordinaten unseres Stellplatzes mitgeteilt. Moderne Technik macht’s möglich. Bis spät in die Nacht sitzen wir zusammen und tauschen Reiseerlebnisse aus. Zwei Tage später verabschieden wir uns von Liz und Colin. Wir verabreden uns für Dezember in Ushuaia – treffen die beiden aber schon in der Nachbarbucht wieder, genauso wie Katrin, Frank und Elias, die mit ihrem roten VW-Bus bereits in Peru unseren Weg gekreuzt hatten.
Punta Ninfas bildet zusammen mit dem südlichsten Punkt der Valdés Halbinsel den Eingang zur Bucht des Golfo Nuevo. Unterhalb der Klippen siedelt eine Seeelefanten-Kolonie. Ein kleiner Pfad führt hinunter an den Strand, so dass man so nah an die Tiere herankommt, wie man mutig ist. Wir postieren uns in etwa zehn Metern Entfernung und vertrauen darauf, dass wir im Zweifelsfall schneller rennen als die Seeelefanten robben. Der Boss der Truppe, ein schwergewichtiger, grauer Bulle, schnuppert einmal kurz in unsere Richtung, dann wendet er sich gelangweilt ab. Viel los ist hier nicht. Die Seeelefanten-Kühe dösen bewegungslos in der Sonne. Sie haben alle ein schwarzes, pelziges Junges neben sich liegen. Ein Junges schreit mit schrillen Lauten nach seiner Mama. Wir zählen einmal durch und stellen fest, dass es tatsächlich weniger erwachsene Tiere als Junge gibt. Doch keines der anderen Tiere nimmt von dem Jungen Notiz. Vielleicht ist die Mama ja nur mal eben zum
Fischfang unterwegs …Etwas mehr Bewegung herrscht in Punta Tombo. 175.000 Pinguin-Paare treffen sich hier jedes Jahr im September und Oktober, um zu brüten. Schon gleich hinter dem Eingang werden wir vom ersten aufgeregten Pinguin beinahe über den Haufen gerannt und sehen ein, dass die Frackträger hier Vorfahrt haben. Ein Fußweg führt mitten durch die Pinguin-Kolonie, direkt vorbei an den Erdhöhlen, in denen die Tiere nisten. Die Weibchen legen zwei Eier, und in einigen der Nester wird auch schon
gebrütet. Da die Jungen erst im November schlüpfen, geht es noch ziemlich ruhig zu in der Kolonie. Nur manchmal gibt es Streit, dann nämlich wenn mehrere Pinguinpaare Anspruch auf das gleiche Nest erheben. Viele der Vögel müssen auf dem Weg von ihren Nestern ans Meer und wieder zurück den Fußweg queren. Geduldig warten sie auf eine passende Gelegenheit, um dann mit gespreizten Flügeln zügig auf die andere Seite zu marschieren. Andere sind mutiger und posieren mit schief gelegtem Kopf für die Kameras der Touristen.Und weiter geht’s entlang der Atlantikküste.
Die Geschichte von Comodoro Rivadavia liest sich wie ein modernes Märchen. 1907 hatte man hier nach Wasser gesucht und bei den Bohrungen Erdöl gefunden. Aus dem armen Wüstendorf wurde eine reiche Kleinstadt. Wasser gibt es allerdings bis heute nicht – das kommt für die 150.000 Einwohner nach wie vor aus einem See bei Sarmiento. Was es dagegen gibt sind eine Menge Bohrtürme und Füllstationen für die Öltanker. Und ein Ölmuseum, das zwar informativ ist, mit den Erläuterungen aber nicht so sehr in die Tiefe geht, wie wir uns das erhofft hatten. Als wir – nur wenig schlauer als vorher – Comodoro Rivadavia wieder verlassen, zeigt der patagonische Wind mal so richtig, was er kann. Unbarmherzig fegt er übers Land, treibt Plastiktüten, Sand, Steine, Dreck vor sich her und unseren Spritverbrauch in die Höhe. Nein, die Ruta 3 entlang der Küste bei Gegenwind zu fahren, ist kein Spaß. Überhaupt rangiert die Ruta 3 unter den langweiligsten Straßen der Welt auf den vordersten Plätzen. Irgendwann zweigt eine Schotterpiste nach links ab. Die nehmen wir.Es ist der Tag der toten Tiere. Schon beim Aufbruch am Morgen waren wir am Strand an einem toten Schäferhund, gebettet auf einem Pappkarton, und einer toten
Robbe, die jemand etwa hundert Meter vom Meer entfernt auf einen Felsen drapiert hat, vorbei gekommen. Und nun stehen wir vor einem Schild, das den Weg zu einer Estancia weist und auf dem jemand ein gehäutetes Tier mit Draht festgebunden hat. Unheimlich. Aber wohl kein Einzelfall. Ein paar Meter weiter hängen die nächsten Tierkadaver, alle mit abgezogenem Fell, über dem Weidezaun. Wir hatten vorgehabt, uns hier in der Gegend einen Platz für die Nacht zu suchen, ziehen es dann aber doch vor, noch ein Stück weiter zu fahren, bis wir in eine freundlichere Gegend kommen.
Kurz vor Cabo Blanco treffen wir auf Arbeiter, die unterwegs sind, um die Straße zum Leuchtturm wieder instand zu setzen – was diese auch bitter nötig hat. Auf Grund der großen Distanzen in Patagonien ziehen viele Straßenarbeiter hinter ihrem Bagger einen Wohnanhänger hinter sich her. Auch eine Art, zu reisen.
Nachdem wir in Puerto Deseado, dort wo das Meer einen breiten Fjord ins Land geschnitten hat, noch einmal Stunden damit verbringen, den Pinguinen, Kormoranen und Robben auf den Inseln zuzusehen, biegen wir ins Landesinnere ab.Der Wind fegt über karge Felsen, biegt die dörren Büsche auf den Boden und wirbelt Staub auf. Wir stehen auf einem Hügel und blicken in ein trockenes Tal, in dem irgendwann einmal Dinosaurier über saftig grüne Wiesen gezogen sind und bis zu hundert Meter hohe Araukarienbäume Schatten spendeten. Im Hintergrund ist noch der Kegel des Vulkans zu sehen, der bei einem Ausbruch vor etwa 150 Millionen Jahren das gesamte Tal mit einer meterhohen Ascheschicht bedeckt hat. Die Vulkanasche, zusammen mit Wind, Wasser und Mineralien führte schließlich dazu, dass sich die abgestorbenen Wälder und langsam verrottenden Baumstämme allmählich in Stein verwandelten – und noch heute zu bewundern sind. Einige der steinernen Stämme sehen so „hölzern“ aus, dass man meinen könnte, jemand hätte sie eben erst gefällt, um Feuerholz zu machen.Das Städtchen San Julián hat nicht viel, was zum Verweilen einlädt. Aber an der Küste siedelt eine Robbenkolonie. Die Robben sind deutlich agiler als ihre Kollegen, die Seeelefanten. Ständig sind sie Bewegung. Wir beobachten eine Gruppe, die sich kopfüber ins Wasser stürzt und sich einen Spaß daraus macht, sich von den Wellen immer wieder auf einen Felsabsatz hochspülen zu lassen.
Jetzt ist es genug mit Meer, Küste, Strand, beschließt Tobias. Jetzt ist mal wieder Zeit für Berge. Wir queren Argentinien also zum zweiten Mal auf der Ost-West-Achse, diesmal auf der Schotterpiste Nummer 288. Als wir die Ruta 40 kreuzen, jene legendäre Straße, die Argentinien in Nord-Süd-Richtung durchzieht und auf der wir weiter oben im Norden bereits einige Kilometer zurückgelegt haben, glauben wir erst, wir hätten uns verfahren. Aber es stimmt, die Ruta 40 ist hier tatsächlich asphaltiert. Da bleibt doch gleich in bisschen Abenteuer auf der Strecke. Doch was dann auf der Strecke bleibt, ist unsere Handbremse. Als Tobias abends den Landy auf dem Campingplatz in El Chaltén abstellt und die Handbremse anzieht, reißt das Seil. Nur gut, dass wir die wirklich bergigen Strecken hinter uns haben. Dumm nur, dass wir seit Tagen einen schleichenden Platten haben und Reifen wechseln müssen. Und blöd auch, dass bei näherem Betrachten plötzlich alle Plätze, auf denen wir parken, eine gewisse Schräglage aufweisen. Wir packen vorsichtshalber zwei Steine ins Auto und ich bekomme auf unbestimmte Zeit die ehrenvolle Aufgabe zugewiesen, immer dann, wenn der Landy seine endgültige Parkposition erreicht hat, aus dem Auto zu springen und die Steine unter die Reifen zu legen.
El Chaltén ist ein zugiger, staubiger und ziemlich unansehnlicher Ort. Für Tobias ist er das Paradies auf Erden. El Chaltén ist das Eingangstor in den nördlichen Teil des Nationalparks Los Glaciares und somit das Tor zum Fitz-Roy-Massiv. Die 3405 Meter hohe Felsnadel des Fitz Roy und der 3102 Meter hohe Cerro Torre zählen unter Bergsteigern zu den technisch anspruchsvollsten Gipfeln der Welt. Aber es muss ja nicht immer gleich der Gipfel sein. »Hier kann man sich totlaufen«, lautet Tobias’ Urteil nach dem Besuch des Visitor Centers der Nationalparkverwaltung und einem ausgiebigen Studium der frisch erworbenen Wanderkarte. Wir packen Zelt, Schlafsack und Campingkocher ein und starten zu einer Vier-Tages-Tour rund ums Fitz-Roy-Massiv. Wir wandern zum Campamento Poincenot, von dort zur Laguna Los Tres am Fuß des Fitz-Roy, zur Laguna Suica, dem Gletscher Piedras Blancas und weiter zum Campamento Angostini an der Laguna Torre. Wir laufen zwischen blühenden Sträuchern, durch moosbewachsene Wälder, über sumpfiges Grasland, vorbei an türkisblauen Lagunen, aber auch über Felswände und Geröll. So abwechslungsreich wie die Landschaft ist leider auch das Wetter. Wie für Patagonien typisch ist es mal sonnig und warm, in der nächsten Minute aber schon wieder regnerisch und kalt. Und immer dieser Wind … Der Wind zieht so heftig an meinen Haaren, dass er mir den Haargummi aus dem Pferdeschwanz weht. Und er kommt so schräg von der Seite, dass er aus einem gefüllten Topf das Wasser waagrecht über den Rand weht.
Während der Nationalpark Los Glaciares in El Chaltén keinen Eintritt kostet, muss man ein paar Kilometer weiter in El Calafate 40 Pesos pro Person bezahlen. Als Gringo. Einheimische zahlen nur ein Drittel. Dabei kann El Calafate nur mit einer einzigen Sehenswürdigkeit aufwarten, dem Perito-Moreno-Gletscher.Wir fahren gegen Mitternacht in den Park. Das Kassenhäuschen ist, wie erwartet, unbesetzt. Eine Schranke gibt es nicht, da sich weiter hinten im Park ein Hotel befindet. Wir übernachten direkt vor dem Gletscher, auf dem Parkplatz. In der Nacht können wir ihn kalben hören. Mit den ersten Sonnenstrahlen, also bereits vor 6 Uhr, sind wir auf den Beinen und betrachten fasziniert das Farbspiel auf dem riesigen Eisfeld. Während auf der
ganzen Welt die Gletscher langsam schrumpfen, ist der Perito Moreno der einzige Gletscher, der noch wächst. Unaufhaltsam schiebt sich seine Gletscherzunge jeden Tag um etwa ein bis zwei Meter nach vorne, gleichzeitig brechen jedoch immer wieder Stücke vorne an der Gletscherzunge und stürzen ins Wasser des Lago Argentino, in dem sie dann als kleine Eisberge treiben. Dort wo der See seine Biegung hat, hat der Gletscher bereits das gegenüberliegende Ufer erreicht. Wenn der Druck der nachschiebenden Eismasse zu hoch wird, sprengt es irgendwann das Eis an dieser Stelle weg. Zuletzt geschah dies im März 2004.
El Calafate ist ein hektischer, trubeliger Ort, in dem alle nur ein Ziel haben: den Touristen, egal ob Gringo oder Südamerikaner, möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. So zahlen Argentinier an der Tankstelle für einen Liter Diesel 1,57 Pesos. Von uns will der Tankwart dagegen 2,80 Pesos haben. Der Tankwart verweist auf das entsprechende Gesetz. Doch wir haben mittlerweile den genauen Wortlaut im Internet nachgelesen und wissen, dass die Anwendung dieser Verordnung nicht zwingend ist, sondern im Ermessen jeder einzelnen Tankstelle liegt. Tobias und der Tankwart diskutieren eine Weile hin und her, am Ende verlassen wir die Tankstelle mit Sprit zum Normalpreis im Tank und im Kittel des Tankwarts steckt ein kleines Trinkgeld.
Neben Ausflügen zum Gletscher stehen in El Calafate Offroad-Touren ganz hoch im Kurs – und zwar im Landrover Defender. Diese Chance lassen wir uns natürlich nicht entgehen und statten einem der vielen Anbieter einen Besuch ab. Wir wollen wissen, wo er seine Fahrzeuge reparieren lässt. Pablo, der Inhaber der Agentur Calafate Extremo, wartet seine Flotte selbst, verrät er uns. Ersatzteile hat er auch keine auf Lager, sondern bestellt sie direkt über eine Kontaktperson in Buenos Aires. Als wir ihm von unseren kaputten Buchsen und dem gerissenen Handbremsseil erzählen, krabbelt er sofort unters Auto, um die Schrauben an den Buchsen wieder festzuziehen. Was das Bremsseil angeht, so könne er für uns eins bestellen. Wir überlegen nicht lange, geben die Bestellung in Auftrag und lassen das Seil per Paketdienst auf unseren Namen nach Rio Grande schicken, denn dort gibt es einen Landrover-Händler mit Werkstatt, bei dem auch Pablo seine Fahrzeuge reparieren lässt. Heute ist Freitag. Am Dienstag soll das Paket in Rio Grande ankommen.
Rio Grande liegt bereits auf Feuerland und unser nächstes Etappenziel heißt demnach Tierra del Fuego.Fast hätte ich es vergessen: Am 28. Oktober war Wahltag in Argentinien. Nestor Kirchner, konnte nach vier Jahren im Amt nicht mehr zur Wahl antreten. Dafür kandidierte Cristina Kirchner, seine Frau, und wurde prompt zur neuen Präsidentin gewählt. Die Politik bleibt damit sozusagen in der Familie … Aber wer weiß, vielleicht darf Frau Kirchner jetzt endlich ganz offiziell und öffentlich all die Entscheidungen treffen, die sie ohnehin auch vorher schon getroffen hat. Denn hinter jedem starken Mann steht schließlich eine starke Frau, nicht wahr? Hasta luego – bis bald!