Route: Salt Lake City / Utah – Moab / Utah – Canyonlands / Utah – Arches Nationalpark / Utah – Dinosaur / Utah – Flaming Gorge / Utah – Grand Teton National Park / Wyoming – Yellowstone National Park / Wyoming – Glacier National Park / Montana
Die ganze Crew des Landrover-Händlers in American Fork, einer Stadt südlich von Salt Lake City, freut sich, als wir mit unserem Landy auf den Hof fahren. Ein Defender! Sofort wird er von allen Seiten bestaunt und fachmännisch unter die Lupe genommen. Und natürlich fotografiert. Die Freude auf unserer Seite hält sich allerdings in Grenzen, denn nach einem kurzen Check der Bremsen werden unsere Vermutungen bestätigt: der Bremssattel vorne links leckt und muss ausgetauscht werden. Allerdings erst morgen, denn der Händler hat das Teil nicht da – wie auch, wo es in USA so gut wie keine Defender gibt – und muss es per Overnight-Kurier in England bestellen. Wo wir schon mal hier sind, nutzen wir den Tag, um auch gleich den Kundendienst machen zu lassen. Der wäre zwar erst in einigen Tausend Kilometern fällig und war auch ursprünglich für Denver geplant gewesen – aber wir planen kurzfristig um und streichen Denver von unserer Reiseroute. Während in der Werkhalle an unserem Landy geschraubt wird, verbringe ich die Zeit damit, mal wieder ausgiebig im Internet zu surfen und die Website zu aktualisieren, denn natürlich gibt’s auch bei dem Landrover-Händler in American Fork – wie auch schon in Albuquerque – kostenloses W-Lan, Kaffee, Tee und kalte Getränke. Und Handy-Empfang. Da kann man nicht meckern. Tobias bewundert in der Zwischenzeit die Fotos von den Offroad-Trips der Crew, die an der Wand hängen, lässt sich die besten Offroad-Strecken in Moab beschreiben und bekommt am Schluss sogar noch Kunststückchen mit dem Privatfahrzeug vorgeführt. Als man uns schließlich unseren Landy wieder übergibt, schnurrt dieser wie ein Kätzchen und ist überdies auch noch frisch gewaschen und poliert.
Wir genießen die Fahrt in einem sauberen Auto – wohl wissend, dass dieser Zustand nicht lange anhalten wird. Schließlich sind wir auf dem Weg nach Moab, dem Mekka aller Offroader. In Moab selbst halten wir uns erst gar nicht lange auf, sondern biegen gleich nach Canyonlands ab. Beim Blick von oben auf die zerklüftete Canyonlandschaft will bei uns beiden zunächst keine so rechte Begeisterung aufkommen. Das ändert sich erst, als wir auf den Shafer Trail abbiegen und auf steilen, schmalen Serpentinen den Canyon hinunter fahren zum White Rim Trail. Von den unterschiedlich hohen Plateaus bieten sich immer wieder spektakuläre Ausblicke auf die beiden großen Flüsse, den Colorado und den Green River, die hier in Canyonlands aufeinander treffen. Wir fahren die Potash Road zurück nach Moab und übernachten auf einem Plateau (Big Mesa) mitten in der Wüste. Auch an den folgenden Tagen erkunden wir die Gegend um Moab auf Offroad-Strecken – unter anderem auf der Gemini Bridges Road und der Long Canyon Road. Unser Landy zieht sich tapfer alle steilen Strecken rauf und runter, über Stock und Stein und sogar durch Sand. Nur mit Schräglagen hat er zu kämpfen. Der Landy hat durch Hubdach und Dachträger 50 cm in der Höhe dazu bekommen. Das zusammen mit der relativ schweren Dachlast verschiebt den Schwerpunkt des Fahrzeugs und lässt es ab und zu ziemlich schwanken.
Wir gönnen dem Landy und uns eine Pause und fahren – auf asphaltierten Wegen – durch den Arches Nationalpark. Über 2000 kleinere und größere natürliche Steinbögen gibt es hier zu bewundern – neben balancierenden Steinen, die aussehen, als würden sie jeden Moment von ihrer Säule herabfallen, versteinerten Sanddünen und anderen, dunkelroten Felsformationen. Wir laufen jeden – ok, fast jeden – Trail ab. Zwei Tage lang.
Dann zieht es uns wieder ins Offroad-Gelände. Diesmal allerdings mit einem Quad, um endlich auch mal die richtig anspruchsvollen Pisten fahren zu können. Im Gegensatz zu Deutschland darf man in den USA die Quads – oder ATVs – nur im Gelände fahren, nicht auf der Straße. Einen ganzen Tag lang toben wir uns so richtig aus – dann haben wir endgültig genug von Sand- und Steinwüste. Jetzt sind wir reif für die Berge. Und für die ganz großen Tiere.
Ein Ort namens Dinosaur an der Grenze zwischen Colorado und Utah erregt unsere Aufmerksamkeit. Wir legen einen kurzen Zwischenstopp ein und besichtigen die „Quarry“, einen Ausgrabungsort, der es in sich hat. In einer einzigen Sandsteinwand hat man hier unzählige, zum Teil komplett erhaltene Dinosaurierknochen entdeckt. 150 Millionen Jahre alt. Ehrfürchtig bestaunen wir die Relikte aus der Vergangenheit, bevor wir uns wieder auf den Weg machen.
Der Grand Teton National Park begeistert nicht nur durch seine atemberaubende Berglandschaft, sondern auch durch seine Tierwelt. Schwarzbären, Grizzlys, Bisons, Elche, Wapiti-Hirsche, Maultierhirsche und Pronghorm-Antilopen gibt es hier. Doch die Bären machen sich rar. Obwohl wir
stundenlang durchs Gebüsch wandern, sieht nur Tobias für einen kurzen Augenblick einen Grizzly auf einem Baumstamm balancieren. Doch so schnell wie der Bär aufgetaucht ist, so schnell ist er auch wieder weg. Im Yellowstone National Park, der nur wenige Kilometer nördlich vom Grand Teton National Park beginnt, haben wir mehr Glück. An einem einzigen Tag sehen wir Bisons, Maultierhirsche, Wapiti-Hirsche, eine Schwarzbären-Mutter mit zwei Jungen, einen Wolf, der die drei Bären beobachtet, Pronghorn-Antilopen mit Jungen, Falken-Babys, Grizzly-Babys, die auf der Wiese spielen, und einen Elch. Völlig übersättigt mit Eindrücken fahren wir den nächsten Campingplatz an – und
erwischen ausgerechnet den, auf dem vor einigen Tagen ein Bär auf der Suche nach Futter mehrere Camper belästigt und ein Auto aufgebrochen hat und schließlich eingefangen werden musste. Nun sind alle in heller Aufregung. Der Campground-Host – zu deutsch der Platzwart – legt die Stirn in Falten. Unser Auto ist nicht bärensicher, sagt er und hat Recht. Wenn wir das Hubdach aufklappen, trennt nur noch eine Zeltplane den Bären vom leckeren Festmahl – und von uns. Nach längerem Hin und Her dürfen wir trotzdem bleiben. Glück gehabt. Doch es wird sich noch zeigen, dass dieser Campingplatz nicht nur bei Bären beliebt ist.
Am nächsten Tag besuchen wir die Geysire, die Fumerolen, die Hot Springs und die Mud Pots. Überall dampft, brodelt und blubbert es. Die Erdkruste ist hier besonders dünn, die heiße Magma-Schicht liegt nur ungefähr 2 Meilen unter der Oberfläche. Versickerndes Wasser wird zum Teil auf bis zu 170 Grad erhitzt und gelangt als Wasserdampf oder Wasserfontäne wieder nach oben. In den heißen Wasserbecken sorgen Pilze, Bakterien, Algen und Schwefel für ein atemberaubendes Farbspiel. Zweimal schauen wir uns den Ausbruch des berühmtesten Geysirs, des Old Faithful, an, der – daher der Name – mit absoluter Regelmäßigkeit alle 94 Minuten ausbricht.
Doch der Yellowstone Park hat noch mehr zu bieten: Prärie, Wälder, Wasserfälle, tiefe Schluchten, Kalksteinterrassen, Canyons … Als wir am dritten Abend müde und hungrig auf dem Campingplatz erscheinen, werden wir schon erwartet. Wild gestikulierend und aufgeregt teilen uns unsere „Nachbarn“ mit, dass keine 10 Meter von unserem Platz entfernt ein Büffel im Gebüsch sitzt. Während wir noch beraten, was wir tun sollen, wird im Wohnmobil neben uns eine Seitenscheibe geöffnet. Gerade so weit, dass ein Gesicht dahinter zu erkennen ist. Eine weibliche Stimme schreit uns hysterisch zu, wir könnten auf gar keinen Fall bleiben, der Büffel würde uns umbringen. Dabei sieht er
ziemlich friedlich aus, wie er da so zwischen den Bäumen liegt und Gras kaut … Alle Campingplätze im Park sind voll und wir ganz und gar nicht gewillt, unseren Platz aufzugeben. Und außerdem, wann hat man schon mal einen ganzen Büffel zum Barbeque … Wir parken unser Auto und gehen erst einmal aufs Klo. Dort hat man ja bekanntlich die besten Einfälle. Als wir zurückkommen, ist der Büffel verschwunden. Erleichtert machen wir es uns gemütlich. Aus dem Wohnmobil nebenan hört und sieht man jedoch bis zum nächsten Morgen niemanden mehr.
Zeit für einen Ortswechsel. Nach dem Yellowstone Park steht der Glacier Nationalpark auf dem Programm – mit der viel versprechenden „Going-to-the-Sun-Road“, die als einzige Straße durch den Park führt. Doch diese Straße ist bei weitem nicht so spektakulär wie sie in den Prospekten beschrieben wird. Also ziehen wir wieder einmal unsere Wanderschuhe an, um den Park abseits der asphaltierten Wege zu erkunden. Morgens um 8 Uhr marschieren wir los zum Iceberg-Lake, den wir nach nur 2 Stunden erreichen – obwohl es sich laut Park-Broschüre um eine anstrengende Tagestour handelt. Da wir noch Zeit haben, setzen wir unseren Weg fort zum Ptamigan-Lake und zum Ptamigan-Tunnel. Wir wandern durch Bärenland. Doch obwohl wir keine Bärenglöckchen an unserer Kleidung tragen – in Bärenkreisen nennt man diese Glöckchen auch „Dinner-Bells“ – und auch ganz leise sind, sehen wir keinen dieser pelzigen Vierbeiner. Doch als wir abends nach der Wanderung aus der Dusche kommen, sehen wir einen Menschenauflauf auf dem Parkplatz. Das kann nur eins bedeuten. Und tatsächlich: Ganz gemächlich trotten zwei ausgewachsene Grizzlys den Berg herunter auf den Campingplatz zu. Mein Gott, sehen die knuffig aus …
Der Glacier Nationalpark liegt nur zum Teil in den USA. Ein Stück des Parks liegt auf kanadischem Gebiet und heißt dort „Waterton Park“. Wir spielen kurzzeitig mit dem Gedanken, hier über die Grenze zu gehen – nicht zuletzt, um möglicherweise bei der Wiedereinreise in die USA ein neues Visum mit erneuter 90-tägiger Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Doch im Park selbst gibt es nur für amerikanische und kanadische Bürger die Möglichkeit, auf einer Backcountry-Route, die Grenzen zu überqueren. Eine Grenzabfertigung wie wir sie bräuchten, gibt es nicht. Und obwohl der Park von beiden Seiten groß als International Peace-Park und Beweis der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Nationen propagiert wird, gilt natürlich der amerikanische Nationalpark-Pass in Kanada nicht – und umgekehrt muss auch der Kanadier für den amerikanischen Teil des Parks erneut Eintritt bezahlen.Wir jedenfalls streichen Kanada von unserer Route und machen uns stattdessen langsam auf den Weg an die Westküste.
Fazit: Die beiden Nationalparks „Grand Teton“ und „Yellowstone“ sind genau die richtige Mischung für Tobias und mich: eine faszinierende Bergwelt, ideal zum Wandern und Klettern, auf der einen Seite – und viele, viele Tiere zum Wildlife-Watchen auf der anderen Seite. Wir haben schon beschlossen, dass wir wieder kommen. Aber das nächste Mal im Winter – erstens, weil man da mit Snowmobil und Schneeschuhen unterwegs sein kann und zweitens, weil man auf dem weißen Schnee die Tiere besser sieht.